Die Leidenschaft ist das Wichtigste
Autor: Gabi Bender
„Zu sehen, wie im Laufe der Zeit aus einem Steinblock eine Figur entsteht – das ist für mich das Faszinierende am Steinbildhauer-Handwerk“, sagt Leelou Paschen. Auch wenn die 22-Jährige bei ihrer Arbeit im Familienbetrieb von Steinmetz- und Steinbildhauermeister Gregor Schulte und Holzbildhauerin Kerstin Schulte immer engagiert zu Werke geht, wird sie sich für eine der nächsten Figuren wohl besonders viel Mühe geben. Denn der Delfin, den sie im Juni innerhalb von nur 52 Stunden aus einem Anröchter Sandstein hauen muss, wird ihr Gesellenstück.
Dieser Delfin, den Leelou Paschen aus Gips hergestellt hat, ist die Vorlage für das Gesellenstück, dass die Auszubildende im Juni innerhalb von 52 Stunden 1:1 aus einem Stein hauen muss. Foto: Gabi Bender
Die Vorlage aus Gips, die sogenannte Plastik, die sie später unter Aufsicht 1:1 aus Stein hauen wird, hat sie in der Werkstatt ihres Ausbildungsbetriebs in Möhnesee-Büecke erstellt. Für eine Delfin-Skulptur hat sich Leelou Paschen ganz bewusst entschieden, denn mit einem Delfin hat vor ein paar Jahren ihre Leidenschaft für das Steinbildhauer-Handwerk angefangen. „Damals habe ich bei einem Bildhauerworkshop von dem Bildhauer Stephen Lawson in Soest mitgemacht und aus einem Sandstein, den wir bekommen haben, einen kleinen Delfin erstellt, denn das waren damals meine Lieblingstiere“, erinnert sich die angehende Steinbildhauerin. „Seitdem steht dieser Delfin auf unserer Haustür.“
Auch ihr Gesellenstück wird vermutlich einen ganz besonderen Platz bekommen – ebenso wie ein Torso, den sie während ihrer überbetrieblichen Ausbildung in Holleben bei Halle (Sachsen-Anhalt) gemacht hat. „Die Überbetriebliche ist eine gute Ergänzung zu der Arbeit im Betrieb und dem Fachunterricht der Berufsschule, denn dadurch lernen alle Auszubildenden die Breite dieses Handwerksberufs mit seinen beiden Fachrichtungen Steinmetz und Steinbildhauer kennen“, erklärt Leelou Paschen.
„Wir haben uns auf die individuelle Grabmalgestaltung spezialisiert“, sagt Gregor Schulte. „Wichtig ist uns dabei, dass wir den Angehörigen zuhören und im Gespräch gemeinsam herausfinden, in welche Richtung es gehen soll. Es ist uns wichtig, sie sowohl bei dem gedanklichen als auch bei dem späteren materiellen Entstehungsprozess mitzunehmen.“ Immer mal wieder kommen bei der Gestaltung der Grabsteine weitere Materialien wie beispielsweise Holz zum Einsatz. „Da Holz vergänglicher ist als Stein, setzen wir Holzelemente meist in einem geschützten Bereich ein“, sagt Holzbildhauerin Kerstin Schulte. „Das funktioniert sehr gut und bietet vielfältige Möglichkeiten.“
Mit einem Sprengeisen bearbeitet die Auszubildende Leelou Paschen vor der Werkstatt von Steinmetz- und Steinbildhauermeister Gregor Schulte einen Kylltaler Sandstein, der aus der Eifel stammt. Foto: Gabi Bender
Steinmetz- und Steinbildhauermeister setzt auf regionales Material
In dem Meisterbetrieb in Möhnesee kommen hauptsächlich regionale Steine zum Einsatz. „Der Anröchter Grünsandstein ist eines meines Lieblingsmaterialien“, verrät der 46-Jährige. „Außerdem verwenden wir gerne den Ruhrsandstein aus der Region Dortmund-Hohensyburg / Herdecke, den Baumberger Sandstein aus dem Münsterland und den Ibbenbürener Sandstein, die beide farblich in die Richtung Beige / Braun gehen. Richtung Teutoburger Wald gibt es dann noch den Wesersandstein, der eher rötlich ist.“
Für ein aktuelles Projekt steht in der Werkstatt von Gregor Schulte derzeit ein eindrucksvoller Kylltaler Sandstein. Diesen Stein hat er seinem Kunden vorgeschlagen, denn er erfüllt zwei wichtige Kriterien. „Zum einen ist es ein farblich warmer Stein, den sich der Kunde gewünscht hatte, und zum anderen können wir mit ihm sehr gut bildhauerisch arbeiten.“ Denn aus dem Stein soll ein Teil eines Deckenfreskos von Michelangelo als Relief herausgearbeitet werden. „Der Kunde hatte das Deckengemälde in der Sixtinische Kapelle gesehen und hat es sich für den Grabstein gewünscht“, erzählt Gregor Schulte. Es handelt sich dabei um den Arm von Gottvater, der mit ausgestrecktem Zeigefinger Adam zum Leben erweckt.
Solche bildhauerischen Arbeiten mag Leelou Paschen am liebsten, wobei sie auch die Abwechslung schätzt. „Vor kurzem hatten wir den Auftrag, aus einem Stein eine Eule herauszuhauen, die auf Büchern steht“, berichtet die Auszubildende. „Gregor hat mir den Tipp gegeben, erst mal eine 1:1-Skizze davon zu machen, und hat mir die groben Maße gegeben. Nachdem ich das gemacht habe, war es dann direkt einfacher, mit der Arbeit anzufangen.“
Steinmetz- und Steinbildhauermeister Gregor Schulte freut sich über die Präzision und Leidenschaft, mit der die Auszubildende Leelou Paschen diesen Grabstein aus Anröchter Gründsandstein mit einem Druckluft-Schlageisen bearbeitet. Foto: Gabi Bender
Eine gewisse Kreativität und räumliches Vorstellungsvermögen sollten Bewerber daher mitbringen. „Die Leidenschaft ist allerdings das Wichtigste, denn das Handwerkliche kann man bis zu einem gewissen Grad lernen“, weiß der Steinmetz- und Steinbildhauermeister, der in seiner Werkstatt sowohl Steinmetze als auch Steinbildhauer ausbildet. Wer sich für den Beruf interessiert, kann sich für ein Praktikum bewerben. Auch einen Ausbildungsplatz für dieses Jahr hat Gregor Schulte noch zu vergeben.
Dann hat Leelou Paschen ihre Ausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen, wenn alles nach Plan läuft. „Wir drücken alle die Daumen und meine Mutter zündet sogar immer noch eine Kerze an, wenn einer unserer Azubis seine Prüfung absolviert“, verrät Gregor Schulte. „Daran erkennt man, dass wir ein kleiner Betrieb mit Familienanschluss sind.“
Im Gespräch mit Leelou Paschen
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