Auf dem Computerbildschirm nähert sich der "Zeiger" den 6,5 Gramm. Damit die Menge an "Weiß" auf das Zehntel Gramm exakt passt, erscheint eine virtuelle Lupe. Zwei Tropfen noch, sagt Hassan Ali. Jetzt noch das Lösungsmittel, dann schraubt der Auszubildende den Deckel auf den Sprühbecher, beschickt mit dem Gefäß den Schüttler.

"Weiß ist nicht gleich weiß", erklärt Thorsten Ryba, ein Tropfen zu viel und die Rezeptur des Farbtons für den herstellerspezifischen Autolack passt nicht mehr. "Und unsere Arbeit ist erst dann gut, wenn man sie nicht sieht", betont der Geschäftsführer von Ryba – Karosserie und Lack in Heessen.

Der Kurde Hassan Ali kam 2016 aus Syrien, arbeitete in Deutschland schon als Maler. "Aber ich wollte mit Autos arbeiten", erklärt der 40-Jährige den Wechsel innerhalb der Branche. Den Betrieb von Kfz-Technikermeister und Karosserie- und Fahrzeugbauer Thorsten Ryba hatte er im Internet entdeckt und einfach angerufen. Eigeninitiative, die gut ankommt bei Arbeitgebern. "Um falsche Vorstellungen zu vermeiden, hilft ein Praktikum – ein Tag reicht ja, um zu sehen, was wir wirklich machen", ergänzt der Firmenchef. Noten seien für ihn weniger wichtig, als echtes Interesse am Be-ruf. "Wenn jemand in der Berufsschule etwa wegen Sprachproblemen nicht sofort klarkommt, helfen wir natürlich."

Er mag Genauigkeit: Hassan Ali mischt einen speziellen Weißton, wobei es auf jedes Zehntel Gramm ankommt. Foto: Markus Liesegang

Hilfsbereitschaft aus dem Team

Die Unterstützung durch das gute Team in der ganzen Werkstatt schätzt auch Hassan Ali. "Sie sind nicht nur nett, sondern auch hilfsbereit. Ich kann fragen, wenn ich etwas nicht sofort verstehe."

Gute Arbeit in hoher Qualität – und das seit fast über 50 Jahren. Thorsten Ryba erweiterte die Lackiererei seines Vaters Wolfgang Ryba nach seinem Einstieg um den Karosserie- und Fahrzeugbau. Er bietet also das Komplettpaket nach Unfallschäden, sorgt aber auch für die Beseitigung von kleineren Kratzern im Hochglanzlack. Der Schönheitsmakel in der Fahrzeughülle wird hier oft mittels Smartrepair behoben. Die kleinen schadhaften Stellen, ob Blech oder in Wagenfarbe lackierte Anbauteile, werden punktuell bearbeitet. Das geht zügig, kostet nicht viel und stellt zudem die Schutzfunktion des kompletten Lackkleids wieder her.

Kleine "Pickel" im Lack beseitigen

Sophie Jeuschede arbeitet gerade auch kleinteilig. Sie sucht und beseitigt die "Pickel" im Lack eines blau lackierten Maserati-Oldtimers. "Das sind Staubeinschlüsse im Klarlack", erklärt die Auszubildende im dritten Lehrjahr und poliert sie weg. Zu sehen ist nach dieser Behandlung nichts, wie gewünscht. "Dieses Finish, die Feinarbeit mache ich am liebsten."

Die 23-Jährige ist mit Autos groß geworden. "Lackierung, Tuning, Umbauten" kenne sie vom Vater. Nun ist sie selbst nah am Blech und kurz vor dem Abschluss. "Die Schule hat mich wegen meiner guten Leistungen angesprochen, ob ich die Prüfung nicht vorziehen will", erzählt die 23-Jährige. "Der Chef hat zugestimmt, den Antrag fertig gemacht." Sophie Jeuschede ist ehrgeizig, will unbedingt den Meister nachlegen, später als Gutachter arbeiten.

Sie mag Feinarbeiten: Die Auszubildende Sophie Jeuschede entfernt winzige Pickel im Lackkleid eines Maserati-Oldtimers. Foto: Markus Liesegang

Der Fachbetrieb Auf dem Knuf 19 nutzt übrigens ein digitales, vollautomatisches Farbmischsystem. "Im konventionellen, manuellen Mischen ist eine Mindestmenge von 150 ml pro Farbanteil nötig, um ein hundertprozentig exaktes Ergebnis zu erzielen. Das ist schließlich unser Anspruch und der unserer Kunden. Der Automat ist in der Lage, kleinere Mengen zu mischen. Es bleibt also kein Rest, der entsorgt werden muss", erklärt Thorsten Ryba. Das spart Müll und Geld sowie Arbeitszeit, die die Lackierer anderweitig nutzen können. Folglich bekommt der Kunde sein Auto früher zurück, da Arbeitsabläufe gestrafft und Prozesse optimiert würden.

Digitale Technik hilft auch bei der Auftragsbearbeitung. Jeder Mitarbeiter hat ein Tablet für die Arbeitsschritte und Dokumentation. Das Thema Nachhaltigkeit ist für Thorsten Ryba ebenfalls wichtig – aus gleich drei Gründen: Zum einen ist es seine persönliche Überzeugung, das Gros der eingesetzten Energie produziert er mittels PV-Anlage auf dem eigenen Dach. Dann bietet der Einsatz moderner Technik ein Einsparpotential und schließlich steht dahinter noch der Wunsch, sich mit innovativen Ideen weiterzuentwickeln. "Wenn man Mitarbeiter binden und neue gewinnen will, muss man ihnen auch etwas bieten, zum Beispiel ein gutes Arbeitsumfeld", erklärt der Inhaber von Ryba – Karosserie und Lack in Hamm-Heessen.

Drei Antworten von...

...Peter Sparding, Obermeister der Maler- und Lackierer-Innung Hamm

Peter Sparding, Obermeister der Maler- und Lackierer-Innung Hamm

1. Wie wichtig ist es für Ihr Gewerk, dass Menschen mit verschiedenen persönlichen und beruflichen Hintergründen im Handwerk ein "Zuhause" finden?

Es ist äußerst wichtig für unser Gewerk, dass Menschen mit unterschiedlichen persönlichen und auch verschiedenen beruflichen Hintergründen im Handwerk ein "Zuhause" finden. Durch jede individuelle Persönlichkeit werden kreative Lösungen gefördert und wir können ganz anders auf die Wünsche der Kunden eingehen. Zudem trägt eine offene Arbeitsatmosphäre dazu bei, dass sich alle Mitarbeiter wohlfühlen und ihre Potenziale entfalten können. Das Handwerk ist für uns fast schon wie eine große Familie, in der jeder respektiert und wertgeschätzt wird. Gemeinsam schaffen wir ein starkes, unterstützendes Miteinander, das uns alle voranbringt.

2. Nicht nur die Menschen, sondern das Handwerk selbst ist vielfältig. Wie erleben Sie diese Vielfalt in Ihrem Gewerk?

Als Malermeister erlebe ich die Vielfalt meines Handwerks jeden Tag aufs Neue. Kaum ein Projekt gleicht dem anderen – ob es sich um die Gestaltung von Wohnräumen, die Sanierung denkmalgeschützter Fassaden oder moderne Farb- und Spachteltechniken handelt. Das Malerhandwerk vereint kreative Gestaltung, technisches Know-how und handwerkliches Können.

Besonders spannend finde ich, wie unterschiedlich die Anforderungen je nach Kunde, Gebäude oder Umgebung sind. Mal steht die individuelle Farbberatung im Vordergrund, mal sind es spezielle Techniken wie Lasuren, Effektbeschichtungen oder der Umgang mit besonderen Materialien wie Lehmfarben oder Kalkputz.

Auch der Umgang mit Menschen macht unser Handwerk so facettenreich: Wir arbeiten mit Architekten, Bauleitern oder Privatkunden zusammen – jeder mit anderen Vorstellungen und Anforderungen. Diese Zusammenarbeit fordert Flexibilität und Einfühlungsvermögen, aber genau das macht den Beruf lebendig.

Für mich bedeutet Vielfalt im Malerhandwerk nicht nur viele Aufgabenbereiche, sondern auch die Möglichkeit, meine Kreativität einzubringen und ständig dazuzulernen. Das ist es, was mich an meinem Beruf begeistert – und was ihn für junge Menschen so interessant macht.

3. Wie sehen die Entwicklungsmöglichkeiten für junge Menschen in Ihrem Gewerk aus?

Im Malerhandwerk gibt’s richtig gute Perspektiven. Nach der Ausbildung kann man den Meister machen – ein großer Schritt, nicht nur fachlich, sondern auch persönlich. Viele entwickeln dabei ein ganz neues Selbstvertrauen und übernehmen mehr Verantwortung.

Wer will, kann sogar noch weitergehen, zum Beispiel mit dem Betriebswirt des Handwerks. Damit stehen ebenfalls Führungspositionen sowie die Selbstständigkeit offen.

Das Schöne ist: Man wächst mit den Aufgaben – fachlich und als Mensch. Auch das macht unser Gewerk so spannend.

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